Magazin zum Geschäftsbericht 2021
Digitale Sensor Zwillinge

Während die Mär vom Metaverse als virtueller Parallelwelt der Zukunft die Runde macht, ist sie im industriellen Umfeld längst Realität. Digital Engineering nennt sich das Verfahren, das Produktionsanlagen virtuell entstehen lässt, bevor sie auf dem Shopfloor aufgebaut werden. 
Die Vorteile liegen auf der Hand: signifikante Verkürzung der Bauzeiten, State-of-the-Art-Technik, exakt eingestellte Anlagen, eine schnelle Inbetriebnahme.
Eine besondere Aufgabe übernimmt dabei die Sensorik: „Intelligente Sensoren setzen die Anlagen und Roboter in Bewegung. Sie messen, prüfen bestimmte Muster oder Materialien und verarbeiten Daten, um Prozesse effizient und individuell gestalten zu können. Damit diese Vielseitigkeit schon in den frühen Planungsphasen in die zukünftige Anlage integriert werden kann, haben wir die erste Generation digitaler Sensor-Zwillinge entwickelt“, erklärt Samir Belgharda, Technical Industry Manager. Anlagendesigner können mit den digitalen Zwillingen schon im Frühstadium des Engineering-Prozesses testen, welcher Sensor für die zukünftige Applikation der richtige ist.
Neue Möglichkeiten der virtuellen Inbetriebnahme
Die ersten digitalen Sensor-Zwillinge von SICK bilden die Grundlage für ein wachsendes virtuelles Sensorportfolio. Aktuell gehören 2-D- oder 3-D-Modelle von Sensoren zum Standard. Ziel ist es nun, zukünftig gleichzeitig einen digitalen Zwilling als 4-D-CAD-Modell zu entwickeln und den Anlagendesignern zur Verfügung zu stellen. Samir Belgharda gibt ein Beispiel: „Wir haben gerade ein virtuelles Abbild unseres Sicherheitslaserscanners microScan3 erstellt. Unsere Laserscanner übernehmen in der Anlagenabsicherung eine wichtige Aufgabe: Ihre Scanfelder erfassen die Umgebung einer Anlage. Kommt eine Person oder ein Gegenstand der Anlage zu nahe, schaltet sie sich ab. Damit sie sich nicht zu früh oder zu spät abschaltet, müssen die Schutzfelder exakt parametriert sein. Diese Einstellung konnte früher nur an der stehenden Maschine selbst vorgenommen werden, das war zeitaufwendig und auch nicht ungefährlich. Mit den virtuellen Sensormodellen bieten wir nun die Möglichkeit, bereits in der Phase der virtuellen Inbetriebnahme die Konfiguration vorzunehmen.“

Die virtuelle Simulation der Anlagenabläufe vermeidet zeitintensives Nachjustieren beim Anlagenaufbau. Indem Fehler simuliert und bei der Steuerungslogik mitberücksichtigt werden, können verschiedene Szenarien digital abgebildet und auch trainiert werden. Ein weiterer Vorteil des digitalen Engineerings ist die Aktualität der verbauten Komponenten und Softwarelösungen. „Mithilfe der digitalen Zwillinge aller Anlagenkomponenten können wir die Zeit, bis eine Anlage in Betrieb geht, drastisch verkürzen. Trotzdem können vom Beginn der Planung bis zum ersten Produktionsdurchlauf Jahre vergehen. Was also zu Beginn der Planung noch State of the Art war, kann zwei Jahre später bereits veraltet sein. In der Virtualität ist das jedoch kein großes Problem: Der Designer kann die Anlage flexibel anpassen und auf den neuesten Stand der Technik adaptieren.“
Brücke in die Zukunft
Doch Samir Belgharda und sein Team wollen noch mehr: „Wir wollen eine Brücke zwischen virtueller Inbetriebnahme und der realen Inbetriebnahme schaffen. In Zukunft sollen alle Konfigurationen und spezifischen Einstellungen aus dem virtuellen Engineering für die reale Anwendung in die Anlagensteuerung übernommen werden können. Damit nähern wir uns mit Riesenschritten Plug-and-play-Lösungen für die Inbetriebnahme von Großanlagen. Das ist ein Meilenstein für die digitale Transformation in der industriellen Automatisierung.“